„Oft bin ich vor dem Weckerklingeln wach“ – Benjamin Knoblauch, Garlix-Art

Er besprüht alles, was ihm vor die Dose kommt: Verteilerkästen, Garagentore, Fassaden, Innenwände. Ganz legal, doch nie langweilig. Benjamin Knoblauch ist Sprayer, Street-Art- Künstler und Inhaber von Garlix-Art. Das Mitglied des Kreativen Erzgebirges ist der Dritte aus der „Spezies: „Kreative Köpfe“. Philipp Senge und Beatrix Junghans-Gläser haben ihn interviewt. Seine Antworten? Lest selbst.

Du arbeitest selbstständig. Was schätzt du daran, was nicht? 

Ganz selbstständig arbeite ich noch nicht, sondern betreibe mein Gewerbe nebenbei. Das genieße ich sehr. Vor allem der Kontakt mit Kunden macht mir Spaß – den habe ich in meinem Vollzeitjob im pharmazeutischen Großhandel nicht. Es macht einfach Spaß neue Menschen kennen zu lernen und ihnen mit meiner Arbeit Freude zu bereiten. Außerdem befasse ich mich mit Dingen, mit denen ich mich sonst nicht beschäftigen würde. Zum Beispiel wollte ein Kunde das Stadtwappen seiner Heimatstadt gemalt haben. Leider braucht es dafür eine Genehmigung, da es ein staatliches Siegel ist. Diese bekamen wir nicht. Stattdessen habe ich das Bergbaumuseum von Oelsnitz gesprüht. Dazu musste ich mich intensiv mit unserer Bergbauvergangenheit auseinandersetzen – das war ziemlich interessant; ich habe viel dazugelernt. Bis jetzt kann ich noch nicht viel Negatives über das Selbstständigsein sagen. Das Einzige, was mitunter schwierig ist, ist alles unter einen Hut zu bekommen (Familie, Kunst, Arbeit).

Im Volksmund heißt selbstständig selbst und ständig. Für viele von uns ist das oft auch so. Wo und wie kommst runter?

Am besten kann ich mit meiner Frau und meinem Sohn abschalten. Wir sind sehr unternehmungslustig, machen gern Tagesausflüge oder entschleunigen uns in unserem Garten. Hauptsache zusammen! Ich kann auch super beim Malen abschalten. Dabei höre ich meist Musik oder Hörbücher, komme dadurch in eine Art „meditativen“ Zustand. So kann ich alles um mich herum vergessen. Es ist egal, ob ich bei einem Kunden an der Wand stehe oder in meinem Keller eine Leinwand besprühe. Meist muss ich mir einen Wecker stellen, damit ich nicht vergesse Feierabend zu machen. 

Von Kreativen wird gern behauptet, sie hätten stets eine Idee in der Schublade. Schön wär’s. Was machst du, wenn dir nichts mehr einfällt? 

Ich versuche meist Dinge aus der Umgebung in meine Arbeiten einfließen zu lassen. Damit meine ich architektonische Besonderheiten, Muster, Details aus der Natur. Oft brainstorme ich mit meiner Frau, die meist richtig, richtig gute Ideen hat. Häufig bringt sie die entscheidenden Vorschläge, die mich zu Bildern inspirieren oder mir einen Anfang ermöglichen. Manchmal mache ich eigens Fotos oder frage Freunde, die fotografieren, ob sie ein Bild als Vorlage für mich haben. Klar, vom Internet lasse ich mich auch inspirieren. Meist suche ich Bruchstücke, um mein Bild zu vervollständigen. 

Eule oder Lerche – wann und wie beginnt ein typischer Arbeitstag bei Dir? 

Derzeit bin ich eigentlich beides. Durch meinen Brotjob muss ich zeitig aufstehen. Nicht selten male ich sogar vor meinen Job noch etwas. Abends mache ich meist noch Entwürfe, Angebote, schneide Schablonen oder male auf Leinwänden. Muss etwas dringend unter der Woche fertig werden, stehe ich auch mal bis nachts um eins beim Kunden an der Wand. Sollte ich hauptberuflich Sprayen, wäre ich bestimmt eine Lerche. Wenn ich im Kundenauftrag sprühe, passiert das meist am Wochenende. Ich versuche immer so zeitig wie möglich anzufangen. Das liegt daran, dass ich mich so sehr darauf freue, dass ich nicht mehr schlafen kann und vor dem Weckerklingeln aufstehe. Oft bin ich schon eher da, um die Zeit zu nutzen. 

Man sagt, aller Anfang sei schwer. Ist es bei dir auch so? Und wie sieht es mit dem Aufhören aus? Wann kannst du gut den Punkt setzen? 

Das Anfangen fällt mir nicht immer leicht. Meist denke ich sehr lange nach, wie das fertige Bild aussehen soll. Dazu suche ich mir Vorlagen, skizziere grob, setze dann alles zu einem Entwurf zusammen. Ist der Kunde damit zufrieden, geht es eigentlich immer recht schnell: Termin vereinbaren und los! Aufhören ist viel schwieriger. Ich sehe immer wieder Details, die ich noch anders machen könnte und feile an Linien herum. Mittlerweile kann ich leichter aufhören als am Anfang. Man lernt halt dazu; ich lerne bei jedem Bild etwas Neues. Und, lernen braucht halt seine Zeit. 

Der Erzgebirger hält mit dem, was er kann, gern hinter dem Berg. Bei aller Bodenständigkeit – worin liegt die starke Seite der Region? Wie geht‘s weiter? 

Die Erzgebirger sind stolz auf ihre Traditionen und ihre Handwerkskunst. Wie ich finde, zurecht. Oft kommt es Außenstehenden so vor als wären sie unfreundlich. Spricht man mit den Leuten, merkt man schnell, dass sie herzlich und offen sind. Oft werde ich nach Fertigstellung meiner Arbeit von Kunden eingeladen oder sie sagen: „Komm ruhig vorbei, wenn du in der Nähe bist!“. Die größte Stärke sehe ich im regionalen Bewusstsein. Es gibt viele Leute, die ihren kleinen Laden bevorzugen. Sei es der Bäcker neben an, der kleine Elektroladen eine Straße weiter oder der Klamottenladen im nächsten Ort. Derzeit zieht es junge Leute wieder mehr aufs Land. Meine Familie und ich lieben die Gegend. 

Aristoteles stellte fest, dass das Ganze mehr als die Summe seiner Teile ist. Was wünschst du dir vom Netzwerk?

So lange bin ich im Netzwerk noch nicht dabei. Super ist, dass es das Netzwerk gibt. Denn ich denke, dass man gemeinsam stärker ist als allein. Es gibt immer einen, der einen kennt und es ist hilfreich neue Leute kennen zu lernen. Was mir auffällt: Social Media kommt etwas zu kurz. Daran sollte man noch arbeiten, da es einfach die Zukunft ist. Vielleicht eine Facebook Gruppe gründen, in der man sich schnell auf dem Laufenden halten bzw. auch Sachen von anderen teilen kann. Wenn alle mitmachen, könnten wir erfolgreicher sein und auch das Netzwerk würde wachsen. 



„Spezies: Kreative Köpfe“ ist eine Serie von Beatrix Junghans-Gläser und Philipp Senge. Sinn und Zweck der Interviews ist es, Kreative im Erzgebirge – insbesondere die Mitglieder unseres Kreativverbundes – vorzustellen. Du möchtest die oder der Nächste in der Reihe sein? Gerne! Melde Dich einfach bei uns.